PAT.AGONIA
ANTROPHOIDEN
OBSESSION
MORPHOSIS
KLAUSTROPHOBI
VERSUCH ZU FLIEGEN

Wanderer zwischen Welten

von Frau Dr.Ursula Prinz

Berlin, August 2012

Eindrücke anlässlich eines Besuchs bei Ranko Dakik

Ein winziger Garten in einem Hinterhof in Berlin-Charlottenburg mit einem altmodischen hölzernen Gartenzaun, eine Tür – und schon steht man mitten im ebenerdigen Atelier von Ranko Dakik. Bilder an der Wand, etliche gestapelt und nur von der Rückseite zu sehen, golden glänzende Skulpturen, düstere Zeichnungen. Es wirkt wie ein kleines Museum im Aufbau, ein Museum, das Werke unterschiedlicher Künstler beherbergt. Dann kommen auch die an die Wand gehefteten Fotos von Menschen, Objekten und Kunstwerken fremder Länder in den Blick und es wird allmählich klar, dass hier Arbeiten eines einzigen Künstlers versammelt sind, der, aus einem anderen europäischen Kulturkreis kommend, ein vielschichtiges Werk geschaffen hat, das aus dem Reichtum und der Erfahrung seines Lebensweges erwachsen ist und nun ein facettenreiches und eigenwilliges Panorama bietet.

Wild wuchernde, gestische Pinselschwünge lassen an Verletzung, Krieg und Tod denken, an grausame Geschehnisse, die der Künstler in seinem Heimatland erlebt und durchlitten hat. In diesen düsteren und chaotisch wirkenden Farbknäueln gibt es Andeutungen von Gegenständen und Personen, wie das Kreuz, Köpfe, Skelette. Explosionsartig treten sie wie Schemen aus der Leinwand, aus dem Malgrund hervor. Die Farbe spritzt wie vergossenes Blut über die Ränder des Gevierts hinaus.

Ein Gefühl des Unheimlichen verlässt uns auch nicht beim Betrachten der großen, farbenfrohen Bilder des so gar nicht unheimlich auftretenden Künstlers. Auf diesen Werken füllen die zu Köpfen oder Figuren verdichteten Farbräusche den Bildraum fast ganz aus, lassen aber dennoch einen Untergrund erkennen. Zumeist sind die Formen in eine feste, farbige Kontur eingebunden. Doch innerhalb dieser Konturen finden Farbexplosionen statt. Es brodelt förmlich wie aus dem kochenden Erdinneren oder dem Gedärm eines Lebewesens heraus. Überbordende Buntheit wird dadurch vermieden, dass zwei Farben dominieren, die zugleich den Bildaufbau strukturieren. Bei allem inneren Aufruhr sind die Bilder doch auch streng komponiert, in eine Form gefügt und beherrscht. Seltsam fremd erscheinen diese visionären Arbeiten und lassen doch auch wieder an Bekanntes denken, an den europäischen Surrealismus, wie auch an Wols oder Fautrier. Schwerer , härter und wilder muten sie an. Es fehlt jegliche verbindliche Leichtigkeit, die ein unbekümmertes Gemüt zu reinem Genuss verführen könnte.

Andere landschaftsverbundene Gemälde sind ebenso wenig einem heiteren Naturerlebnis zu verdanken. Sie wirken manchmal eher wie Weltlandschaften, verweisen auf etwas Grundsätzliches, oder auch Gegensätzliches. Nicht Harmonie wird hier beschworen, sondern eine Sicht auf die Bedingungen des irdischen Seins. Symbole wie die Weltschlange – die alles zusammenhält, Anfang und Ende verbindet - tauchen auf. Doch wird alles vordergründig Esoterische vermieden.

In den stark farbigen Werken ist die genaue Kenntnis der heimatlichen religiösen Freskomalereien in den dörflichen Kirchen nicht ohne Auswirkung geblieben. Diese Tradition und westeuropäische Moderne verbinden sich zu einer ungewohnten Ästhetik heutiger Malerei.

Als Wanderer zwischen den Welten und Vermittler von Gegensätzen erweist sich auch der Bildhauer Ranko Dakik. Seine Bronzen wirken durch ihre teilweise Bemalung und das Gegeneinandersetzen von glatten und strukturierten Partien wie Mesaillancen von Vorgefundenem. Sie sind schwer und wirken dennoch gelegentlich fragil, von schwankendem Gleichgewicht, aggressiv und verletzlich zugleich. Die klassische Technik des Bronzegusses verbindet sich einer modernen Auffassung von Materialität.

Das Werk von Ranko Dakik bewegt sich im europäischen Kontext und ist dennoch von großer Eigenständigkeit und Eigenwilligkeit. Daher rührt auch seine scheinbare stilistische Vielgestalt, die es ihm erlaubt unterschiedlichste Ausdrucksweisen gleichzeitig zu verwenden. Eine bedeutende, auch bedrückende Kraft und Expressivität bricht sich in diesen Werken eine Bahn aus dem Inneren des Künstlers heraus, die dem verbindlichen Menschen von außen nicht ohne weiteres anzumerken ist.


Dr. Sylke Wunderlich
Februar 2011, Berlin

Rako Dakic bleibt seinem Thema treu: die letzten Bilder waren schon kriegerisch. Jetzt sind die Verletzungen sind so massiv, dass man von Leben kaum mehr zu sprechen wagt, dennoch schauen uns unter Umständen Augen an. Das Auge als Organ der sinnlichen Wahrnehmung steht hier sicher als Sinnbild für geistige Erkenntnis oder auch Erleuchtung. Gleichzeitig zeigt der Künstler die leeren Augenhöhlen eines Schädels oder das blinde, gebrochene Auge des Todes. Ein anderes Mal assoziieren wir eine Kreuzigung, dann liegt scheinbar ein geschändeter Kopf auf einem Stein, die kyrillischen Schriftzeichen, wie abgerieben von einer Grabplatte, verstärken den Eindruck. Auch die Bilder der Heiligen, erkennbar an ihrer Gloriole, verstören. Mumienartig schwarz sind ihre Gesichter – kann man sie noch so nennen? Und, uns begegnet die Doppelgesichtigkeit. Der Maler lässt offen, ob es sich um einen Heiligen oder einen Priester handelt. Hier erreicht die Sinnbildlichkeit einen Höhepunkt. Auf der Schlange, einem Symbol der Ambivalenz, sieht man spiegelschriftlich geschriebene Worte. Die Schlange gehört dem Totenreich an, symbolisiert durch ihre Häutungen aber auch die Erneuerung. Im Christentum wird sie mit dem Sündenfall und der Weiblichkeit gleichgesetzt. Wenn wir die Worte auf dem Schlangenleib lesen – es sind Kategorien menschlicher Werte wie Frieden, Vergebung, Gott, Macht, Würde, Moral oder Gnade – kommen Zweifel, ob nicht diese Schlange die Menschheit fest im Würgegriff hat – je nachdem, auf welcher Seite der Betrachter steht: im Morgenland oder Abendland, welcher Religion er angehört oder welcher ethnischen Gruppe. Gleichzeitig steht die doppelgesichtige Figur auf dem Wort Existenz.

Ranko Dakic ist ein Maler, der tief in die seelischen und unter Umständen auch moralischen Abgründe des Menschen einzudringen vermag, nicht nur in seiner Phantasie, sondern mit seinen, für ihn adäquaten künstlerischen Mitteln. Er führt mit seinen Gedanken in die Tiefe, reißt die Oberflächlichkeit auf und befördert Dinge ans Licht, die Nachdenken erfordern, nachdenklich stimmen. Die Bilderfindungen erhalten ihre Ausformungen sowohl im Zeichnerischen, Malerischen als auch Plastischen. Surrealität und Abstraktion sind ebenso zu finden wie Realismus und Expressivität. Zur zweiten Dimension von Malerei und Zeichnung wird die dritte mit der Plastik gefügt, die Bildsprache so ausgedehnt und ergänzt – aber auch die Form und Struktur der Bilderfindung neu interpretiert. Der Kontrast zwischen Ganzem, Unberührtem, Glatten und Gebrochenem wird noch größer, augenfälliger.Schwerter, Tierhörner und metallisch glänzende Masken assoziierten Kampf, Schicksal und das was übrig bleibt: die Waffen, die Knochen der Verstorbenen, Kriegsmaterial.


von Wolfgang Kant
August 2007, Berlin

Es legt im expressionistisch-surrealistischen Stil in generalisierter Form die spezifische Form von Angst frei, die jeden abgrundtiefen existentiellen Schrecken und jedes innerpsychische Schaudern begleitet. Die Wucht, die aus dem Gemälde heraustritt, lässt erkennen, dass in ihm bildhauerische Formbeherrschung ins Malerische transformiert worden ist. Wenden Sie sich anschließend Ranko Dakiks bildhauerischen Werken selber zu, werden Sie die Erfahrung machen, das dieselben aus inneren Kraftzentren heraus zu explodieren scheinen und dennoch die Stabilität der Massen erhalten bleibt. Seine Skulpturen stellen insofern die innere Explosivspannung dar, die das Dargestellte in der Balance hält, andererseits aber auch den Moment aus dem heraus jeder Zerfallsprozess beginnen und seinen Verlauf nehmen könnte. Ranko Dakik würde aber gänzlich falsch verstanden, wollte man seinem plastischen Werk die Intention der Destruktion attribuieren. Ausgangspunkt seines plastischen Werkes können Natur- oder auch kosmische Phänomene, Landschaften, architektonische Gebilde oder auch Personen sein, eines aber ist seinen Werken stets eigen, es sind die inneren Kräfte der Phänomene die ihn faszinieren und ergreifen, und die er aus unterschiedlichen Positionen der jeweiligen Skulptur, dynamisch in einer spannungsgeladenen Gesamtkonzeption zur Darstellung bringt. Seine Skulpturen wollen umgangen werden, denn nur so zeigt sich die jeweilige Spannungsvielfalt zwischen Linien, Formen und Massen.